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Schaut hin!

Wie können wir heute das Positive erkennen?

Erschienen im Magazin „Der Kirchentag“, 2020.

Können Sie zwei Plakate beschreiben, die Sie in letzter Zeit gesehen haben? Oder vielleicht eins? Ich auch nicht.

Jede Kampagne soll Menschen dazu bringen, hinzuschauen. Und das ist ein Grund, warum wir es kaum noch tun. Aber was, wenn eine Kampagne auf genau diese Aufforderung reduziert ist? Schaut hin. Diese banale Hürde galt es zu durchbrechen. Wie bringen wir Menschen tatsächlich dazu, hinzuschauen? Und zwar natürlich nicht nur auf unser Plakat, unser Key-Visual, unser Bild? In einer Zeit, in der es überall immer um visuelle Hoheit geht: Wer schafft es, mit Bildern, seien es Fotos, Filme oder sprachliche Bilder, Aufmerksamkeit zu generieren? Im Straßenbild zerstört dieser Wettkampf am Ende jede Ästhetik.

Und natürlich eliminieren sich die visuellen Schreihälse im Kampf um Aufmerksamkeit am Ende gegenseitig. Alle sind laut, also schauen wir einfach nicht mehr hin. Und online ist dieser Kampf noch intensiver: User*innen erstellen selbst ohne Ende Content. Und dabei handelt es sich meist um visuelle Inhalte: Fotos von Essen, Kindern und Tieren dominieren die sozialen Netzwerke. Warum soll ich mir dann auch noch Werbung ansehen?


Menschen stellen ihre Körper zur Schau, weil sie sich größere virtuelle Aufmerksamkeit (Likes, Shares, Follower) davon versprechen. Wer digitale Herzchen sammelt, fühlt sich beliebt. Nicht selten wird versucht, dadurch das Fehlen wahrhaftiger Zuneigung und Aufmerksamkeit zu kompensieren. Kein Wunder, soll doch in unserer Wachstumsgesellschaft alles immer mehr, immer größer, immer besser werden. Das gilt nicht zuletzt für Aufmerksamkeit.

Ein selbstverständliches Bedürfnis, das in zu hohen Dosen mittlerweile wie eine Droge das Verhalten von Menschen leitet. Doch der Kampf ums Publikum lässt dieses immer mehr die Augen verschließen, wegschauen, resignieren. Wie kann man also ein Motiv finden, bei dem Menschen nicht nur tatsächlich hinschauen, sondern auch noch merken, dass es sich dabei um ein anderes Hinschauen handelt als um das Betrachten von Kaufanreizen, Programmhinweisen, Propaganda oder anderer substanzloser Botschaften?

Wir als Kreative haben uns gefragt, wie wir diese schwammige inhaltliche Unschärfe, die uns tagtäglich begegnet, durchbrechen können. Indem wir Menschen dazu animieren, wirklich genauer hinzuschauen, indem wir sie dazu bringen, die Augen zusammenzukneifen, den Kopf nach vorn zu schieben, sich zu nähern, sich mit etwas auseinanderzusetzen, und ihnen am Ende eher eine Frage als eine Antwort geben. Wer die Augen zusammenkneift, um genauer hinzuschauen, der ist automatisch konzentrierter, dessen Aufmerksamkeit haben wir – für diesen Moment – gewonnen.

Das Motiv zeigt einen Farbverlauf der von einem dunklen Blau (oben) in einen Peach-Farbton übergeht. Darauf steht in unscharfer Schrift: Schaut hin!

Dieser unscharfe Schriftzug lässt Menschen innehalten und versuchen, genauer zu erkennen. Und dann steht da: schaut hin. Der selbstreferenziell anmutende Effekt (Na, ich schau doch gerade hin!) führt zur Erkenntnis, dass Hinschauen mehr ist als Hinsehen. Ich soll also genauer hinschauen. Nicht zuletzt auf den hellen Schein, der das Dunkelblau durchbricht und den Blick auf den Absender dieser Botschaft lenkt: den 3.Ökumenischen Kirchentag. Der helle grafische Verlauf erinnert bewusst an die Sonne. Er soll Licht und Wärme ausstrahlen. Er ist das positive Zeichen: Von hier geht Hoffnung aus. Hier ist der 3. Ökumenische Kirchentag. Denn da ist jemand, der auf uns schaut. Aber auch wir schauen von oben auf unseren Planeten und den Zustand, in den wir ihn gebracht haben. Wir sagen: Schaut hin! Verschließt Eure Augen nicht vor Leid, vor Unheil, vor Klimakrise und humanitären Katastrophen. Schaut hin, gerade weil es so anstrengend ist, zu erkennen, was richtig und was falsch ist.

Denn wir sagen auch: Wir können etwas tun. Und das gibt uns Hoffnung. Schaut hin und erkennt das Positive. Gerade jetzt ist dies eine Fähigkeit, die jeder Mensch braucht.

In dieser Unschärfe liegt Bewegung und Vergänglichkeit:
schaut hin und tut was, bevor es zu spät ist;
schaut hin – die Welt verändert sich;
schaut hin – zum 3. Ökumenischen Kirchentag,
bevor er vorüber ist