So war es beim #kirchentag in Dortmund.
Man kann zur evangelischen Kirche stehen, wie man will. Das ist übrigens mittlerweile auch eins ihrer Benefits. Doch mit dem Deutschen Evangelischen Kirchentag hat das weniger zu tun, als die allermeisten Menschen denken. Dass der Kirchentag eine eigene Organisation mit sehr individueller, freiheitlicher und verhältnismäßig progressiver Geschichte ist, ist der eine Grund. Der andere ist: auf einem Kirchentag geht es um bedeutend mehr als um die Kirche. 2400 Veranstaltungen zu fast genauso vielen Themen. Sehr viele spannende, teils sehr prominente Teilnehmerinnen, sehr viele Akteurinnen aus Politik, Interessenvertretungen und Nicht-Regierungs-Organisationen.
118 000 Menschen aus mehr als 70 Ländern nahmen teil. Beim 37. Evangelischen Kirchentag in Dortmund. Hier geben sich Bibel-Freaks, Atheistinnen, Sozialistinnen, Orthodoxe und Pfadfinderinnen die Hand. Eine sehr bunte Mischung – würde jede Lokalredakteurin nun schreiben. Und es stimmt natürlich auch. Nahm man sich die Zeit und setzte sich mal ein Stündchen vor die Dortmunder Westfalenhallen – der Menschenstrom, der an einem vorbeizog, war trotz einheitlich grünem Halstuch durchaus heterogen. Wobei das nicht auf die Altersgruppen zutraf: so waren es vor allem Menschen unter 20 Jahren und über 60 Jahren, die hier zwischen Brot-für-die-Welt-Infostand und Currywurst-Ausgabe hin und her streiften.
Was ist so toll am Kirchentag?
Was ist also so toll am Kirchentag? Sein Programm? Seine Vielfalt? Seine Offenheit? Seine klare Haltung (#NOAFD) Ja, das alles.
Der Kirchentag blieb und bleibt nämlich durchaus offen für alle. Auch wenn die AfD als Partei nicht zu Podien – also als Mitwirkende – zugelassen wurden, um den radikalen Demokratie-Feinden nicht noch mehr Resonanzboden für faktenferne Propaganda und Hetze zu geben. Jede AfD-Anhängerin, jede AfD-Wählerin oder Sympathisantin konnte am Kirchentag teilnehmen. So wie jede und jeder andere auch. Partei-Präferenzen oder Mitgliedschaften werden bei einem Kirchentag ebenso wenig kontrolliert wie Kirchen-Mitgliedschaft oder Glaubens-Richtung. Im Gegenteil. Mäanderte man so wie ich oder auch Grünen-Europa-Experte und Kirchentags-Präsidiums-Mitglied Sven Giegold suchend mit Programm-App oder -Buch in der Hand durch die vielen Veranstaltungsorte (ein Leitsystem oder wenigstens Beschilderungen wären toll gewesen), dann sah man, dass hier sowohl „Christ und Jurist“, als auch die verschiedensten LGBT-Organisationen, gleich neben der „Evangelischen Seelsorge in der Bundeswehr“, „Wege im Zeichen der Muschel“, SeeWatch, nahezu allen Gewerkschaften, Parteien oder Medien auf dem „Markt der Möglichkeiten“ zu sehen, anzutreffen und zu sprechen waren.
Natürlich gab es auch viel zu schmunzeln und vielleicht sogar zu lachen. Das sollte aber in Ordnung sein, da wo es tatsächlich so bunt und vielfältig zu geht. Und nicht jede und jeder sind es nun mal gewohnt, dass ihnen an jeder Ecke plötzlich eine bzw. 20 Posaunen mal mehr und mal weniger gerade Töne ins Ohr pusten. Und auch die zahlreichen Bibel-Schenker und spontane Gesangsgruppen kennt man nicht mal in Berlin in dieser Form. Und genau das macht einen Kirchentag aus. Eine unerschöpfliche, unendliche Toleranz, ein fast unerträgliches fröhliches und freundliches Miteinander, Lächeln und Singen an jeder Ecke. Und das alles fast ohne Kitsch und fast ohne Missionieren. Stattdessen mit viel Pommes, Currywurst oder veganen Alternativen. Schließlich handelt es sich hier, wie Pfarrerin @PastorSandy beim Abschlussgottesdienst im Dortmunder Westfalenstadion zusammenfasste um „Gottes geliebte Gurkentruppe.“. Und damit fühlten sich dann alle irgendwie wohl.